Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert

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Daten zum Buch
Deutscher Titel: Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert
Autor(en): Wolfgang Schivelbusch
Herausgeber:
Erscheinungsort: Frankfurt am Main
Verlag: FISCHER Taschenbuch
Serie:
Erscheinungsjahr: 2004
Seitenanzahl: 256 Seiten
Originaltitel: -
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 3596161800
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3596161805
Schlagwörter: Technikgeschichte, Elektrifizierung
Sachgebiete: Sachbuch
Rezensionen

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In seinem Buch Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert beleuchtet der Sozial- und Technikhistoriker Wolfgang Schivelbusch den Einzug der künstlichen Beleuchtung in unsere Städte und beschreibt diesen als einen Siegeszug bürgerlicher Ordnungs- und Disziplinvorstellung. Schivelbusch erwähnt in diesem Zusammenhang, dass Paris als Stadt der Aufklärung nicht umsonst den Beinamen ville lumiére trägt. Die Geschichte der künstlichen Beleuchtung in den Städten ist auch eine Geschichte bürgerlicher Ordnung. (11)

Zunächst weist Schivelbusch jedoch darauf hin, dass vor der künstlichen Beleuchtung die Zähmung des Feuers stand, die drei Kulturleistungen erst ermöglichte, die uns von der Natur unabängig werden ließ: 1. Das Kochen, 2. Das Heizen und 3. das Licht. (12) Aber erst das praktisch in seiner Intensität beliebig steigerbare Kunstlicht zunächst durch das Gas und ab 1880 durch das elektrische Licht (76ff), das überdies keinen Sauerstoff mehr verbrauchte, konnte das Licht im industriellen Maßstab entstehen lassen. In Fabriken eingesetzt diente das Licht so einer enormen Steigerung der Arbeitsleistung rund um die Uhr. (16)

Schivelbusch macht in diesem Zusammenhang jedoch darauf aufmerksam, dass die Verfügbarkeit von Gas in den Häusern des 19. Jahrhunderts jedoch nicht nur ein Mehr an Freiheit versprach, sondern zugleich auch eine Abhängigkeit der Häuser erschuf, die nun an die städtischen Gasnetze angeschlossen wurden. Die Gasleitungen bedeuteten den Anfang vom Ende der Autarkie der Häuser (34), das mit der noch weitreichenderen elektrischen Durchdringung 1880-1920 seinen ersten Höhepunkt fand. (77)

Zudem macht Schivelbusch deutlich, dass die Einführung der Elektrizität und das Beleuchten der Straßen zunächst vor allem eine polizeiliche Maßnahme zur Kontrolle der Bevölkerung war. War es vor der flächendeckenden Beleuchtung der Straße noch polizeilich verboten, durch dunkle Straßen ohne Laterne zu gehen (84), so diente die Errichtung der Straßenlaternen einer absolutistischen Ordnung der Straße. (85) So war es auch nicht verwunderlich, das in den Zeiten der französischen Revolution die Straßenlaternen zunächst noch als ein absolutistisches Herrschaftszeichen angegriffen wurden (98 ff.), aus vielen Laternen gar Galgen entstanden, nur um die Laternen und ihr befreiendes Licht dann selbst als Inbegriff bürgerlicher Aneignung des öffentlichen Raums im Zuge von Siegesfeiern über die alte Ordnung mit Illuminationen der Freude zu feiern (112) und den Aufzug eines "Nachtlebens" einzuleiten, das durch hell erleuchtete Schaufensterscheiben die Straße zur Theaterbühne werden ließ. (142 ff).

In weiteren Exkursen behandelt Schievelbusch abschließend den Wandel im Wohnzimmer, Salon und auf der Theaterbühne, den das elektrische Licht einleitete. So erläutert er etwa, dass erst durch das künstliche Licht auf der Bühne die Möglichkeit geschaffen wurde, nur die Bühne und nicht mehr den Zuschauerraum zu illuminieren und damit eine Grenze von Bühne und Zuschauerraum einzuführen, die bis dahin so nicht existierte. (193)

Bewertung

Wir nehmen viele Dinge unseres täglichen Lebens als Selbstverständlichkeit hin, so auch die omnipräsente Beleuchtung von Straßen und Zimmern in der Nacht. Dass diese Option aber in früheren Jahrhunderten nur sehr begrenzt verfügbar war, ist uns kaum bewusst und die kulturellen und habituellen Änderungen, die durch die Elektrizität in unser Leben kamen, sind uns erst recht nicht bewusst. Wir sollten uns die Veränderungen, die durch technologische Erfindungen Einzug in unser Leben halten, aber immer sehr bewusst machen, weil ihre Auswirkungen selbstredend groß und nicht immer positiv sind. Dass mit dem Licht auch die Kontrolle des Staates über seine Bürger stieg, sollte uns genauso zu denken geben wie die Tatsache, dass mit Gas und Elektrizität die Unabhängigkeit der Häuser fiel. Autarke Häuser gibt es heute praktisch nicht mehr in der westlichen Zivilisation, während noch vor 200 Jahren die Eigenständigkeit eines Hauses der Standard war. Darauf hingewiesen zu haben, ist ein unschätzbares Verdienst Schivelbuschs. Wer noch an dem Nutzen kulturwissenschaftlicher Studien zweifelt, sollte sich einmal dieses Buch zu Gemüte führen.