Unseld. Eine Biographie

Aus Bookpedia Bücher einfach erklärt
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Daten zum Buch
Deutscher Titel: Unseld. Eine Biographie
Autor(en): Peter Michalzik
Herausgeber:
Erscheinungsort: München
Verlag: Blessig
Serie:
Erscheinungsjahr: 2002
Seitenanzahl: 398 Seiten
Originaltitel: -
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 3896671545
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3896671547
Schlagwörter: Biographie, Buchgeschichte, 68er, Suhrkamp
Sachgebiete: Biographie

REZ = * URLs zu vorliegenden Rezensionen

Rezensionen

{{{REZ}}}

Die nicht unumstrittende Biographie von Peter Michalzik zeichnet das Leben und Wirken Siegfried Unselds nach, das zugleich die Geschichte des Suhrkamp-Verlags in den ersten fünf Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland ist, in denen der Verlag mit seiner Suhrkamp-Kultur und seinen bedeutenden geistesgeschichtlichen Autoren wie Hesse, Frisch, Becket, Enzensberger, Bloch, Bernhard, Joyce, Handke, Celan, Habermas, Adorno, Walser oder Brecht wesentlich das geistige Bild Deutschlands mitgeprägt hat. Unter Siegfried Unseld wurden so über 12.000 Suhrkamp-Bände produziert, die er in seiner Frankfurter Villa in einem "Buchbunker" aufbewahrte. (334)

Michalzik berichtet von zwei früh prägenden Umständen in Unselds Leben. Zum einen war sein Vater Ludwig Unseld als SA-Sturmführer und NSDAP-Mitglied ab 1933 in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt und beteiligte sich etwa 1938 bei Anschlägen in Ulm während der Reichpogromnacht (36), zum anderen war Unseld im Krieg als Marinefunker in Sewastopol stationiert und konnte sich von dort nur dadurch retten, dass er aufs offene Meer hinaus schwamm, in der Hoffnung, ein rettendes Boot zu finden. So war Unseld nach seiner glücklichen Rettung und nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Suche nach einer neuen Identität und einem neuen Vater. Er fand ihn einerseits in Peter Suhrkamp als Verfolgter des Nationalsozialismus und andererseits in Hermann Hesse, den er literarisch und geistig verehrte.

Bis 1966 hatte Unseld, nachdem er die Verlagsleitung 1957 zuerst als Komplementär (105) von Peter Suhrkamp übernommen hatte, alle prägenden Autoren zusammen. (160) Zugleich erlebte der Verlag mit der Brecht-Gesamtausgabe 1965 einen ersten Höhepunkt und wurde finanziell immer erfolgreicher. 1968 wurde auch die Buchbranche mit in die 68er-Wirren hineingezogen, die Halle 6 der Frankfurter Buchmesse etwa wurden wegen Studentenprotesten teilweise geschlossen, wogegen wiederum Unseld - wie andere Verlage auch - mit dem Abbau seines Standes reagierte. Man darf auch nicht vergessen, dass ein Großteil der Autoren des Suhrkamp-Verlages die geistige Grundlage der 68er-Bewegung bildeten. Zudem radikalisierte sich die Bewegung zusehends und es gab auch innerhalb des Verlages die Bestrebung, dass nicht meher der Verleger alleine über die Programmgestaltung bestimmen sollte, sondern eine Lektoratsversammlung, in der der Verleger lediglich eine gleichberechtigte Stimme hatte. Dies wiederum widersprach jedoch dem nach Meinung Michalziks letztlich patriachalischen Führungsanspruch Unselds, der mit Kraft seiner Autoren dieses Anliegen zurückweisen konnte. (185 ff) In die Geschichte des Verlages ist dies als der Aufstand der Lektoren eingegangen. Die Kraft, die man im gesellschaftlichen Leben geschaffen hatte, wollte Unseld nicht unbedingt auch in seinem eigenen Verlagsimperium dulden.

Bereits im Lektoren-Aufstand 1968 zeichnete sich das Problem ab, dass der Suhrkamp-Verlag am Ende sehr auf Siegfried Unseld zugeschnitten war und die Nachfolgefrage schwierig werden würde. Unseld hatte zwar seinen Sohn Joachim Unseld konsequent als Nachfolger aufgebaut, jedoch stellte dieser sich nach der Scheidung Unselds von seiner Ehefrau Hilde Unseld auf die Seite seiner Mutter. Der endgültige Bruch kam, nachdem Unseld 1990 eine seiner Autorinnen, nämlich Ulla Berkéwicz heiratete. Die Bemühungen um eine Nachfolge Unselds blieben letztlich bis zum Tod Unselds, der erst nach Veröffentlichung der Biographie von 2002 eintrat, ungelöst.

Bewertung und Ausblick

Das Buch enthält nach Ansicht zahlreicher Rezensenten (so etwa in der NZZ) Lücken und falsche Angaben, insbesondere zum wirtschaftlichen Geflecht des Verlages. Dennoch sind die über die Person Siegfried Unseld recherchierten Lebensstationen äußerst interessant und zeigen das Leben und Wirken eines der bedeutendsten Verlegers der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere sein Umgang auch mit sehr schwierigen Autoren wie Thomas Bernhard ist vorbildhaft.

Der Verlag wird heute von seiner 2. Ehefrau geführt und ist 2010 nach Berlin umgezogen, ein Plan, den Unseld bereits Mitte der 90er Jahre nach der Wiedervereinigung verfolgt hatte. (310) Der Umzug nach Berlin, aber auch die neue Verlagsführung haben den Verlag in ungewohnt schwieriges Fahrwasser gebracht, dennoch scheint mit dem Umzug auch die Grundlage für einen Neuanfang gegeben, denn aus den Kräften der Wiedervereinigung hat bis heute kaum ein Verlag wirklich nachhaltige Kraft schöpfen können, fast alle Verlagsdependancen, die im Zuge der Wiedervereinigung etwa in Leipzig entstanden, sind heute wieder geschlossen worden. So bleibt dem Suhrkamp-Verlag ein Neuanfang in Berlin zu wünschen.

Eine umfassende Überarbeitung dieser Biographie, die die Verlagsgeschichte bis heute berücksichtigt und zugleich einige der monierten Fehler behebt, ist jedoch ein Desiderat.

Weiterführende Literatur

Autor: Denis Diderot 21:56, 22. Jan 2011 (CET)