Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen

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Daten zum Buch
Deutscher Titel: Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen
Autor(en): Constanze Kurz, Frank Rieger
Herausgeber:
Erscheinungsort: Frankfurt
Verlag: S. Fischer
Serie:
Erscheinungsjahr: 2011
Seitenanzahl: 272 Seiten
Originaltitel: -
Originalsprache: deutsch
ISBN-10: 3100485182
ISBN-13/

EAN-Code:

978-3100485182
Schlagwörter: Datenschutz, Hacker, Nerds
Sachgebiete: Sachbuch
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Constanze Kurz und Frank Rieger zeigen in ihrem Buch über die wachsenden Datenberge im Internet eindrucksvoll und leicht verständlich nach, wie das Geschäftsmodell des Internets dazu beiträgt, große Datensammlungen von Nutzern entstehen zu lassen. Denn das vorherrschende Geschäftsmodell des Internets ist es den Autoren zu Folge nach wie vor, mit gezielter Werbung spezielle Zielgruppen zu erreichen. Am Beispiel eines Internetstart-ups zeigen die Autoren dabei auf, wie wichtig es ist, detaillierte Nutzerprofile anzulegen, um den Wert des Unternehmens zu steigern. Die Gefahren, die durch diese steigenden Datenberge ausgehen, sehen die Autoren zum einen in der unnötigen Ressourcenverschwendung, die durch gezielte Werbung angeregt wird (49), aber auch in den dadurch möglichen "Datenverbrechen" (50).

Darüberhinaus wächst auch eine Gefahr durch das sogenannte Scoring, also durch die Zusammenführung der verschiedenen Datenquellen und einer Profilbildung, wodurch eine "Disziplinierung zu ökonomischem Wohlverhalten" (60) ermöglicht werde, die auch auf die Kriminalitätsbekämpfung übertragen werden könne, so wie sie bereits in der Rasterfahndug angedacht worden sei, mit der ua. abweichendes Verhalten frühzeitig erkannt werden sollte, wie die beiden Autoren anhand eines Zitates von Horst Herold, dem Präsidenten des BKA in den 70er Jahren nachweisen. So wird der Mensch aus der Summe seiner Interessen, Vorlieben und Gewohnheiten quantifizierbar. (61)

Wie nachhaltig die freiwillige Datenweitergabe von uns ist, machen die Autoren anhand der digitalen Stickyness bzw. der "Datengeiselsituation" klar, in die Nutzer schnell geraten können. Haben wir als Nutzer einmal alle unsere Daten, Bilder und Beziehungen einem Dienst im Internet anvertraut, fällt es uns schwer wieder zu wechseln, selbst wenn der Anbieter sich noch so schwer zumutbare Nutzungsbedinungen ausdenkt. Wir müssten ja alle unsere Daten umziehen. (76) Als größte Profiteure der neuen Datenfreizügigkeit sehen Kurz und Rieger derzeit Facebook, Google, Apple und mit einigem Abstand Microsoft. Diese Profiteure reden einem Ende der Privatsspähre das Wort, was die Autoren jedoch genauso skeptisch sehen wie das aus der Science-Fiction bekannte Konzept der "reziproken Transparenz" (110), das davon ausgeht, dass, sobald Alle über Alle alles wissen, es also keine zwischenmenschliche Geheimnisse mehr gibt, dieses Wissen auch nicht mehr als Macht eingesetzt werden kann.

Ein eigenes Kapitel widmen die Autoren dem Siegeszug der Biometrie, der mit vielfältigen Problemen behaftet ist. Biometrische Merkmale lassen sich leicht fälschen wie die Autoren am Bsp. des Fingerabdrucks aufgezeigen (118) und anders als PINs lassen sich diese auch nie mehr austauschen, sind sie einmal kompromittiert, d.h. abhanden gekommen (117). Besonders kritisch sehen die Autoren jedoch, dass Biometrie, die angeblich Pässe fälschungssicher macht, wobei deutsche Pässe schon jetzt nahezu fälschungssicher sind, in den Alltag Einzug halten und Fingerabdrücke etwa in süddeutschen Supermärkten zum Bezahlen Verwendung finden. (130f.) Auch die Videoüberwachung mit automatischer Gesichtserkennung, wie sie etwa am Mainzer HBF bereits testweise zum Einsatz kam, sehen Kurz und Rieger sehr skeptisch, zumal es immer häufiger vorkommt, dass die Videoaufnahmen prognostisch auf potentielles abweichendes Verhalten hin ausgewertet wird. (130ff.)

Auch Mobiltelefone und ihre Ortungsmöglichkeiten sehen die beiden Autoren als sehr kritisch an. Verstärkt wird dieser Effekt auch noch durch die freiwilligen Lokalisierungsdienste wie Forsquare, Google Latitude oder bei Facebook (167ff.), wo es zusätzlich noch möglich ist, Personen auf hochgeladenen Fotos zu markieren. Dadurch entsteht ein engmaschiges Datennetz, das selbstverständlich auch durch Kriminelle etwa für die Einbruchsplanung benutzt werden kann. Hinzu kommen die Anforderungen der staatlichen Stellen, die immer stärker auf eine Vorratsdatenspeicherung (157) drängen. Kurz und Rieger machen jedoch klar, dass sich selbst nur aus Verbindungsdaten vielfältige Schlüsse ziehen lassen und erklären in einem eigenen Kapital, dass der Spruch, wer nichts verbrochen habe, auch nichts zu befürchten habe und deshalb alles offenlege solle, grundsätzlich falsch ist. (180ff.) Denn jeder Mensch hat seine Geheimnisse (medizinische Daten, sexuelle Orientierung) und das persönliche Wissen über Menschen bedeute nun einmal Macht. (194)

Das Buch schließt mit dem Aufruf zur Mündigkeit, die "die Befähigung zum selbständigen, eigenverantwortlichen Handeln" sei (247ff.) und gibt einige Tipps, wie man seine digitale Mündigkeit im modernen Internet behalten könne, ohne Datenasket zu werden:

  • grundsätzliches Nachdenken, über die Eingabe von Daten ins Internet
  • Datensparsamkeit: zB das Alter nur bei jugendschutzrelevanten Diensten angeben
  • der Werbung versuchen zu widerstehen
  • Phantasiedaten verwenden, wo immer es möglich ist
  • Pseudonyme verwenden
  • keine Freunde ungefragt auf Fotos "taggen"
  • den eigenen Datenschatten über den Auskunftsanspruch ausleuchten

Bewertung: Die große Stärke dieses Buches ist es, gerade für den interessierten Laien viele Hintergründe aus der Welt der technischen Entwicklung verständlich darzustellen und die Diskussionen um den Umgang mit Daten in unserer digitalen Welt übersichtlich und verständlich zusammenfassen. Der Profi wird aus diesem Buch wenig Neues erfahren, aber genau das macht das Buch für so Viele empfehlenswert. Die Handlungsempfehlungen sind, vielleicht bis auf die allzu naive Vorstellung, nicht den Werbebotschaften zu erliegen, absolut zu berücksichtigen, nur so werden wir unsere persönlichen Daten vor den Gefahren der vollständigen Digitalisierung schützen.


Autor: Denis Diderot 22:27, 23. Mai 2011 (CEST)